Coach-Bashing – einige Überlegungen

Ist Coach-Bashing eigentlich gerade en vogue? Der Eindruck drängt sich gerade auf. Vor einigen Tagen wurde ein SPON-Artikel durchs virtuelle Dorf getrieben mit dem bezeichnenden Titel „Wer nichts wird, wird Coach“, eben entdeckte ich einen Beitrag bei heise.de, der ähnlich hämisch und nur scheinbar differenziert auf meine Zunft einprügelt. Es scheint zudem so zu sein, dass gerade diejenigen, die am lautesten schreien, am wenigsten konkrete Erfahrung mit Coachingprozessen haben. Schlechte Beispiele finden sich immer. Warum werden dem keine positiven gegenüber gestellt?

Und NLP hat offenbar noch immer ein Imageproblem, was sehr schade ist. Aber Autoren wie diejenigen der genannten Artikel hauen ja auch lieber undifferenziert drauf als sich selbst einmal ein Bild zu machen und vor allem mal zu hinterfragen, was „Manipulation“ im Kontext von Kommunikation eigentlich bedeutet. Aber das ist noch mal ein ganz anderes Thema …

Ich finde diese Artikel traurig und schädlich, weil sie Menschen abschrecken werden, denen durch ein Coaching tatsächlich geholfen werden könnte. Natürlich ist mir klar, dass der Markt für Außenstehende zunächst einmal recht intransparent wirkt. Dies jedoch allein auf die Tatsache zu schieben, dass es keine geregelten Standards für Coachingausbildungen gibt, vereinfacht das Thema viel zu sehr. Auch Standards bieten doch noch lange keine Garantie dafür, dass Qualität sich durchsetzt. Wir müssen nur an Ärzte, Anwälte, Lehrer oder Steuerberater denken, die alle hoch qualifizierte Ausbildungen durchlaufen haben und von denen manche leider dennoch einen schlechten Job machen. Umgekehrt kenne ich sehr gute Kolleginnen oder Kollegen, die auf Umwegen zu ihrem Coaching-Know-how gekommen sind, sich fortlaufend weiterbilden und ausgezeichnete Arbeit machen – ich glaube, den Königsweg zum guten Coach gibt es einfach nicht.

Was mir fehlt an der ganzen Diskussion sind drei Dinge:

  • Erstens: Wer bestimmt, was einen Coach „seriös“ oder gut macht? Im Heise-Artikel ist die Rede davon, dass nur ca. 5.000 von den rund 35.000 in Deutschland tätigen Coachs als „seriös“ gelten. Was sind denn die Kriterien dafür, und wer schreibt diese fest?
  • Zweitens, und in meinen Augen noch viel wichtiger: Nicht jeder gut ausgebildete und qualifizierte Coach ist für jeden Coachee und dessen Anliegen geeignet. Das kann viele Gründe haben: fehlende Chemie zum Beispiel, je nach Thema auch mangelnde fachliche Kompetenz. Jeder „gute“ Coach kennt seine Grenzen und wird schon einmal Klienten abgelehnt haben.
  • Drittens finde ich den Aspekt der Selbstverantwortung der Klienten bei dieser Art von Artikeln gar nicht. Wieso auch, wäre ja viel zu differenziert gedacht … Als jemand, der Unterstützung sucht, habe ich aber jederzeit die Möglichkeit, mich am Markt zu orientieren. Ich kann verschiedene Coaches kontaktieren, ihnen Fragen stellen, persönlich oder am Telefon, mir ein Bild machen dazu, wie jemand arbeitet und mein Bauchgefühl prüfen. Kurz: Ich kann eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen und dafür dann auch gerade stehen, wenn es nicht so läuft, wie ich mir das vielleicht vorgestellt habe. (Was im Übrigen zuweilen durchaus ein Indiz für einen funktionierenden Coachingprozess sein kann: Coaching muss auch mal riskieren, den Klienten zu irritieren und sogar zu verstören. Wenn mein Coachee immer nur in den gewohnten Bahnen denkt und fühlt und entsprechend handelt, wird Veränderung schwierig. Aber das nur am Rande.)

Was denkt ihr darüber? Welche Coachingerfahrungen habt ihr gemacht? Was haltet ihr von Standards in der Ausbildung, welche sollten das aus eurer Sicht sein, und wie sollten diese umgesetzt werden?

Ich finde, das sind wirklich wichtige Fragen. Hämisches Draufhauen bringt uns da aber leider nicht weiter.

4 Kommentare zu „Coach-Bashing – einige Überlegungen“

  1. Liebe Heide,

    oh ja, in regelmäßigen Abständen platzt mir auch der Kragen, wenn ich so einen „Dünnschiss“ lese. Ich vertraue da auf die Selbstverantwortung der Menschen, die sich Unterstützung holen wollen. Wer diese Artikel liest und sich davon beeindrucken lässt, ist meist eh ein Gegner von Coaching.
    Dieses Interesse der Presse zeugt für mich davon, dass das Thema heiß ist und Coaching immer „normaler“ wird.
    Und schließlich ist schlechte Publicity auch Publicity. 😉 Denn um so besser informieren sich die Menschen. Das kann ja nur in unserem Sinne sein, denn wir beider z.B. haben ja nichts zu verstecken – ganz im Gegenteil wollen wir mit interessierten Menschen zusammenarbeiten.

    Herzliche Grüße
    Natalie Schnack
    Sichtbarkeits-Coach

  2. Hallo Frau Liebmann,

    ich denke, dass betrifft eher die zahlreichen „Lebensberater-Coaches“ als diejenigen, die sich auf Geschäftsbereiche stürzen. Erstere suchen oft selbst Hilfe, sind begeistert und wollen auch. Zumindest habe ich das häufig erlebt.
    Das Phänomen gibt es auch in der Naturerlebnispädagogik, da will Mann/ Frau plötzlich unbedingt für Natur begeistern und kennt sich selbst nicht damit aus (manchmal gar, gar nicht) und verschlimmert durch Falschaussagen vieles. Bei Lebensberatern geht es leider oft um die Psyche anderer Menschen und das, was einem selbst total geholfen hat, muss nicht zwangsläufig passend für andere sein.

    Im Geschäftsleben sind spezialisierte Coaches/ unvoreingenommene Berater m. E. n. nicht überflüssig. Und es wird immer Menschen geben, die sich mit Akquise, Konzepten, Selbstbehauptung und Co. nicht genügend auskennen und jemanden an ihrer Seite brauchen, der ihnen auf die Sprünge hilft. Ganz egal ob angestellt oder selbständig.

    Viele Grüße
    Silke Bicker

  3. Liebe Heide,

    wer einmal eine gute Coaching-Erfahrung gemacht hat (z.B. in der 77-Tage-Challenge bei Heide Liebmann ;)), weiß, was das wert ist. Wer einmal eine schlechte Erfahrung gemacht hat (z.B. dass sich nichts oder nicht schnell genug etwas verändert hat), wird sich wahrscheinlich nicht an die eigene Nase fassen.
    Qualitätskriterien für „gute“ Coaches zu finden, halte ich für genau so schwierig wie für gute Lehrer oder gute Künstler. Das ist aber m.E. gar nicht nötig. Denn ein „guter“ Coach wird weiterempfohlen und merkt, wenn etwas mal nicht passt.
    Coach-Bashing betreiben nur die, die keine Ahnung haben. Mops, Mond.

    Liebe Grüße, Ellen

  4. Also ich habe dreimal in meinem bisherigen Leben einen Coach gehabt & bin allen dreien bis heute sehr dankbar.

    ABER: als ich auf der Suche nach dem passenden Coach mit verschiedenen Coaches gesprochen habe, waren diese durchaus nicht alle offen für meine Vorgehensweise, mir mehrere anzugucken. Gut, dass waren dann natürlich nicht die richtigen für mich, aber mit Eigenverantwortung stößt man als Coachee auch nicht überall auf Gegenliebe…

    Trotzdem, ich würde mir jederzeit wieder einen Coach suchen, wenn ich glaube Hilfe zu benötigen!

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