Was Paul über Peter sagt, …

… sagt meist mehr über Paul als über Peter. Das ist ein kluger Spruch, den ich von einer Freundin gelernt habe und der mich nun schon seit einiger Zeit begleitet. Denn wie oft ertappe auch ich mich noch dabei, dass ich Bewertungen vornehme, über andere Menschen lästere oder mir zumindest insgeheim „mein Teil denke“.

Das lässt sich auch gar nicht ganz abstellen, denke ich, denn unser Gehirn nimmt diese schnellen Urteile innerhalb von Sekundenbruchteilen vor, ganz egal, wie weit wir auf dem Weg zur Erleuchtung schon fortgeschritten sind ;-). Entscheidend ist auch hier mal wieder, ob ich erkenne, was da gerade passiert – und wie ich dann damit umgehe. Denn meistens erfolgen solche Bewertungen ja unbewusst: Wir nehmen einen anderen wahr, und zack! Schon haben wir entschieden, ob wir mit diesem Menschen ein Bier trinken gehen würden – oder lieber einen weiten Bogen um ihn machen.

Eine Achtsamkeitsübung

Da ich als Coach sehr viel mit Menschen zu tun habe, kann ich diese Achtsamkeit oft üben – und auch, wenn doch meist Menschen zu mir finden, mit denen mich schon eine gewisse Wellenlänge verbindet, kann es doch passieren, dass ich einen ersten Impuls wahrnehme und beginne, die Person in eine Schublade zu stecken.

Ich habe jedoch den Anspruch als Coach, so offen wie möglich zu bleiben, weil ich mir sonst auch den Blick auf mögliche Potenziale verbaue.

Deshalb habe ich sozusagen eine innere Instanz installiert, die an dieser Stelle aufmerkt und mir einen kleinen Stupser gibt: Achtung, aufgepasst, du bist grade im Bewertungsmodus!

Das gibt mir die Möglichkeit, innerlich einen Schritt zurück zu gehen, wahrzunehmen, was in mir vorgeht, und das vielleicht jetzt, vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt sogar zum Thema zu machen: „Wissen Sie, was ich gerade als erstes dachte, als wir uns die Hand gegeben haben?“ Das kann eine wirksame Intervention sein, weil sie es dem Gegenüber ermöglicht, die Perspektive auf sich zu wechseln und sich von außen zu betrachten.

Sich selbst im Spiegel der anderen sehen

Doch nicht nur als Coach kann es hilfreich für den Umgang mit anderen sein, diese Form der Achtsamkeit zu trainieren. Sie schärft unsere Wahrnehmung für die Menschen um uns herum insgesamt und lehrt uns, dass es immer auch einen Anteil in uns selbst gibt, der sich im anderen spiegelt.

index-315754_1280Ein schönes Bild dafür ist der Finger, der auf andere zeigt, während kleiner Finger, Ring- und Mittelfinger auf einen selbst zurückdeuten.

Wenn ich also jemanden innerlich verurteile, weil er einen anderen Umgang mit Geld pflegt als ich, in meinen Augen „verschwenderisch“ ist, kann mir das zum Beispiel einen Hinweis darauf geben, dass ich mir vielleicht selbst mehr Leichtigkeit und Großzügigkeit bei diesem Thema wünsche. Das ist natürlich nur eine mögliche Interpretation, es gibt sicher noch andere.

Kennst du dieses unwillkürliche Anwerfen des Bewertungsmodus? Und wie gehst du damit um?

 

1 Kommentar zu „Was Paul über Peter sagt, …“

  1. Natürlich enstehen ständig innere Bilder und Hypothesen über andere. Gerade im Bereich von Coaching und Therapie ist ein professioneller Umgang damit im Interesse eines guten Klärungsprozesses. Gelingt dies, kann es das Coaching befördern, gelingt es nicht, muss ich mich fragen, ob ich der richtige Coach für das Thema oder die Person bin.

    Martina Schmidt-Tanger hat in Ihrem Buch ‚Gekonnt coachen, Paderborn 2004, Seite 59 hilfreiche‘ mögliche Gründe für die Nicht-Annahme eines Coachingauftrags“ aufgelistet,die gut zu der Fragestellung passen. Nicht-Annahme- (oder Nicht- Fortsetzungs-) gründe sind u.a.:
    – ein eigenes Thema steht zu sehr im Vordergrund,
    – zu große Affinität zum Thema („..das ist auch mein Thema“)
    – unauflösbare Übertragung und Gegenübertragung („.. der erinnert mich an den XY..)
    – nicht auflösbare Projektion (..die ist aber unsympathisch..“)

    Taucht so etwas auf, spreche ich mit einem Kollegen oder einer Kolleginnen oder nutze kollegiale Fallberatung und Supervision. Das hilft mir, die nötige professionelle Distanz wieder herzustellen oder, wenn dies nicht funktioniert, den Klienten weiter zu verweisen.

    Viele Grüße
    Helmut Ellerbrok

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