Unternehmer*in sein: Interview mit Ralf Senftleben

Blogheader InterviewRalf Senftleben habe ich schon sehr lange auf dem Schirm. Ich glaube, der Zeit zu leben-Newsletter war einer der ersten, die ich im Internet abonniert und auch regelmäßig gelesen habe. Bei ihm und seiner – inzwischen nicht mehr existierenden – Workshopwelt habe ich das „Online-Workshoppen“ von der Pike auf gelernt. Im Grunde ist Ralf Schuld daran, dass ich mein erstes Buch veröffentlicht habe, denn das basierte auf dem Skript für meinen ersten Online-Workshop. Insofern hat es mich besonders gefreut, dass er mir für mein zweites Buch ein ausführliches Interview gegeben hat, das ich dort allerdings nur in Ausschnitten verwerten konnte. Hier also erstmals eine umfassende Version! Seine Antworten sind sicher für viele von euch ebenfalls spannend.

Ralf Senftleben ist seit 1998 Herausgeber von “Zeit zu leben”, Unternehmer und Geschäftsführer sowie Autor, Selbstlernkurs-Entwickler und Informatiker. Er legt großen Wert auf Selbstverantwortung, Vielfalt und Flexibilität sowie Lösungsorientierung. Auf „Zeit zu leben“ bietet er zusammen mit seinem Team hochwertige, pragmatische, wissenschaftlich fundierte und nützliche Hilfe zur Selbsthilfe.

Fokussiert auf eine Sache – und die mit Liebe machen

Ralf Senftleben1. Wenn du dein Selbstbild als Unternehmer*in beschreibst: Wie sieht das aus, und was gehört alles dazu für dich?

Ich bin kein klassischer Unternehmer, der zehn Sachen gleichzeitig am Laufen hat. Ich mag es, mich auf eine Sache zu fokussieren und die dann mit Liebe zu machen.

Mein Selbstbild als guter Selbstständiger umfasst, dass ich natürlich etwas aufbauen will, vielleicht auch ein Anliegen habe, was ich in die Welt bringen möchte. Ich finde es auch wichtig, dass man als Selbstständiger über sich selbst hinaus gucken kann, also nicht immer nur von den eigenen Ideen ausgeht, sondern seine Kunden und Mitarbeiter wirklich fragt, und das auch irgendwie mit einbauen kann.

Mich hat tatsächlich der Selbstverwirklichungsdrang bewogen, mich selbstständig zu machen. Einfach mein eigenes Ding machen, mich mit den Themen beschäftigen wollen, die ich spannend fand. Ich wollte kein großes Problem lösen, sondern ich hatte einfach Bock darauf, mein eigenes Ding zu machen, in welcher Form auch immer. Wir waren da relativ offen, wir wollten einfach nur selbst bestimmen.

2. Welche deiner Eigenschaften hältst du für unverzichtbar, bezogen auf deinen unternehmerischen Erfolg?

Ich bin ein großer Fan von Systemen, von Checklisten, von Automatismen … Informatiker halt. Wenn man mehrere Schritte drei mal gegangen ist, dann überlege ich: okay, wie kannst du das jetzt so machen, dass es von alleine läuft. Das habe ich in großen Teilen bei uns etabliert. Jeder Bereich, der bei uns regelmäßig angefasst wird, hat einen Plan.

3. Wenn du mal zurückblickst: Aus welcher Erfahrung hast du am meisten gelernt für dein unternehmerisches Leben?

Ich habe drei oder vier Anläufe gehabt, wo ich nebenbei etwas Neues aufgebaut habe. Also es war immer so eine Spirale: Mir wird langweilig. Ich baue was Neues auf, um dieser Langeweile Herr zu werden. Aber dann merke ich: Nee, es ist eigentlich blöd, zwei Sachen gleichzeitig zu haben. Also trenn dich wieder davon auf irgend eine Art und Weise. Heute ziehe ich nichts Neues mehr auf. Ich mache Zeit zu leben groß und wenn mir wieder langweilig wird und ich mit dem Gedanken spiele, wieder etwas Neues nebenbei aufzuziehen, dann erinnere ich mich an die letzten Male und sage mir: Nee, du hast deine Lektion jetzt gelernt.

4. Was bedeutet „Scheitern“ für dich?

Ich bin kein angstfreier Mensch, ich habe vor ganz vielen Dingen Angst. Aber unternehmerische Risiken einzugehen, das hat mich nie gestört. Das macht mir keine schlaflosen Nächte, weil ich weiß, wenn es irgendwie den Bach runter geht, versuche ich halt was Neues. Dann wird sich schon was finden. Da habe ich tatsächlich ein gewisses Vertrauen in die Welt oder auch in meine Fähigkeiten.

5. Was möchtest du mit deinem Unternehmen der Welt geben?

Ich bin kein großer Fan von Visionen, weil das oftmals ein Hilfskonstrukt ist, um alle Leute unter ein Dach zu holen. Außer bei Leuten, die das von Anfang an haben. Die müssen es nicht konstruieren. Wir haben Werte, also Dinge, die uns allen wichtig sind, die natürlich viel mit mir zu tun haben, weil ich das Unternehmen gegründet habe. Und ich habe mir dann Leute gesucht, die sie abonnieren konnten oder von sich aus schon hatten. Ausprobieren ist z. B. so ein Wert, und dann haben wir auch den Wert, dass wir versuchen, eine positive Kraft zu sein, wir wollen die Leute ordentlich behandeln und niemanden über den Tisch ziehen. Das heißt, wir wollen das Geschäft nicht über menschliche Beziehungen stellen. Dann ist uns Spaß unheimlich wichtig, wir machen echt viel Quatsch zusammen. Und Offenheit und Transparenz stehen auch ganz oben auf der Liste. Und wir sind eher wissenschaftlich orientiert als esoterisch.

6. Was hätte dir in schwierigen Situationen geholfen, wenn du es schon früher gewusst hättest?

Hinter allen großen Erfolgen steckt, dass jemand etwas immer und immer wieder getan hat. Die meisten großartigen Dinge sind dadurch entstanden, dass jemand wieder und wieder und wieder die gleiche Sache gemacht hat, ein bisschen größer geworden ist und noch bisschen verändert hat, aber dran geblieben ist an der einen Sache. Und das ist meistens durch ein Ritual oder durch einen Automatismus oder durch ein Räderwerkchen entstanden. Wenn ich das früher gewusst hätte, oder wenn ich das früher als Erfolgsmechanismus erkannt hätte, hätte ich das von Anfang an noch mehr ins Business einbezogen.

Im Laufe der Zeit ist mir auch der Stellenwert von Emotion klar geworden. Es ist unendlich wichtig, Gefühle und Inspiration und emotionale Impulse ins Business zu integrieren. Denn damit kann man die Leute am meisten erreichen und auch am meisten in ihnen bewirken, weil man direkt einen Zugang zu ihnen bekommt, auch was die Wirkung unserer Kurse angeht.

7. Welche Art von Marketing machst du für dein Unternehmen und deine Angebote?

Wir halten uns über den Markt auf dem Laufenden, aber wir betreiben relativ wenig aktive Marktforschung. Auf unsere Kunden bezogen allerdings schon, da machen wir das sogar sehr intensiv. Es ist natürlich wichtig, Trends mitzukriegen, also was bewegt die Leute im Augenblick, was sind gesellschaftliche Themen, was verändert sich gerade. Ich bin allerdings sehr zurückhaltend dabei, immer auf andere zu gucken. Du guckst auf einen Mitbewerber und denkst, boah, der macht aber coole Sachen. Und dabei weißt du gar nicht, ob das funktioniert, was der tut. Du weißt auch nicht, was der für einen Background hat, welche Ressourcen der hat, die du vielleicht gar nicht bereit stellen könntest. Ich halte insgesamt relativ wenig von Benchmarking, außer wenn du in sehr stark standardisierten Märkten unterwegs bist. Wir kennen unsere Mitbewerber, wir wissen, was die machen, wir kaufen aber keine Produkte von denen.

Ich kenne mich mit dem Thema Marketing aus, ich weiß, was ein Product Launch ist und wie er funktioniert, ich kenne die psychologischen Mechanismen. Man kann schon sagen, dass ich ein Marketingfan bin. Ich weiß einfach, wie man jemanden überzeugt. Das ist mein Ding, ich finde das faszinierend.

Unser Hauptmarketinginstrument ist die kostenlose Information. Wir sind wie ein kostenloses Magazin, das die Leute interessant finden, und so kommen wir mit unseren Kunden in Kontakt. Wir zahlen also nicht dafür, sondern wir machen interessante Sachen, so dass die Leute uns von sich aus finden. Und dann machen wir ihnen irgendwann ein Angebot. So nach dem Motto: Ey, ihr findet das doch toll, was wir machen. Wenn ihr mehr davon haben möchtet, dann guckt es euch mal an. Der Newsletter transportiert das Ganze, insofern ist er schon ein wichtiges Instrument. Aber über die Artikel auf der Seite finden Leute über die Suchmaschinen zu uns.

8. Wie würdest du dein Verhältnis zu Geld beschreiben?

Ich bin ein Fan von Geld. Ich mag Geld, ich fahre gern ein schönes Auto und ich wohne auch gern in einem schönen Haus, ich habe gern ein tolles Büro, ich mag schnelle Rechner. Ich glaube, es ist wichtig genug Geld zu haben, und Geld gerade im unternehmerischen Bereich gibt auch viele Freiräume. Ich möchte, dass Zeit zu Leben finanziell immer erfolgreicher wird. Ich möchte noch mehr Leute mit ins Boot holen, noch mehr spannende Sachen machen. Und dabei hilft natürlich Umsatz und Geld. Ich glaube, man darf keine Angst vor Geld haben, weder auf der positiven noch auf der negativen Seite. Also man darf keine Angst davor haben, zu viel Geld zu machen, man darf aber auch keine Angst haben, es zu verlieren. Da steckt ganz viel Emotion drin in in dem Thema Geld, und ich glaube, es lohnt sich, sich auf der emotionalen Seite damit zu beschäftigen, was es mit einem macht.

Ich habe meine Lektion zum Glück sehr früh gelernt, weil meine Mutter im Lotto gewonnen hat, als ich zwanzig war, und da meine Mutter eine sehr großzügige Frau war, hat sie an die Kinder einen ganzen Batzen verschenkt. Und da hatte ich dann mit 20 Jahren einen sechsstelligen Betrag auf dem Konto und wusste nicht, wohin damit. Insofern habe ich das sehr effizient auf den Kopf gehauen und wusste dann hinterher, dass es mir nichts gebracht hat.

9. Welche Routinen helfen dir bei deinem Workflow, und welche Tools setzt du dafür am liebsten ein?

Meine persönlichen Erfolgsgewohnheiten? Ich versuche jeden Morgen, bis ungefähr acht Uhr zu schlafen. Und ich schaffe es seit vielen Jahren, jeden Morgen meine Qi-Gong-Routine zu turnen. Außerdem schreibe ich sehr viel, vielleicht nicht jeden Tag, aber ich setze mich regelmäßig hin und bringe irgendwelche Gedanken aufs Papier. Und ich lese immer irgendein Fachbuch oder höre es als Hörbuch. Außerdem führe ich auch meine To-Do-Liste jeden Tag. Das musste ich mir antrainieren, weil ich auch eher ein kreativer Chaot bin. Aber mittlerweile schreibe ich jeden Tag auf, was die eine Aufgabe ist, die ich heute erledigen will und vielleicht so zwei, drei Sachen, die auch passieren dürfen, aber kein Zwang sind.

Wenn man ein Team hat, dann kann ich nur empfehlen, einen wöchentlichen Jour Fixe durchzuführen. Bei uns ist das ein Erfolgstreiber. Wir gehen unsere To-Do-Liste durch und gucken natürlich, wer was erledigt hat, aber wir quatschen und konzipieren auch ganz viel. Seit wir das eingeführt haben, hat sich ganz viel verändert, das hat uns einen richtigen Schub in punkto Schaffenskraft gegeben.

Auch hier noch mal ganz herzlichen Dank für das Interview, lieber Ralf! Ich mag deinen Fokus auf das, was man liebt.

Dieser Artikel hat dir gefallen? Dann freu ich mich, wenn du ihn teilst. Am einfachsten geht das über die Buttons oben über dem Artikel.

Willst du auch in Zukunft keine interessanten Artikel mehr verpassen? Dann melde dich gleich an für meine ImpulsPotenziale und sichere dir dein Geschenk: meinen Gratis-E-Mail-Kurs „Mein unternehmerisches Selbstbild“.

1 Kommentar zu „Unternehmer*in sein: Interview mit Ralf Senftleben“

  1. Das sind sehr inspirierende Antworten, lieber Ralf. Vor allem der Teil mit der Langeweile kommt mir sehr bekannt vor. Ich neige auch dazu, dann etwas anderes anfangen zu wollen. Es tut gut zu lesen, dass es anderen auch so geht und man sich davon einfach nicht beeindrucken lassen sollte.
    Danke!
    Sylvia

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert