High Probability Selling – einen Versuch wert?

Der Werbetext des Verlags BusinessVillage hatte mich neugierig gemacht:

Der Verkäufer Sal Esman hat schon alles versucht …

… mehr Motivation, bessere Präsentationen, härtere Abschlusstechniken. Ohne durchschlagenden Erfolg. Dann wechselt er den Job. Dort lernt er etwas völlig Neues: High Probability Selling. Mit dieser Verkaufsmethode schafft er endlich den Aufstieg: Auf einfache, ehrliche und erfreuliche Weise verkauft er an Kunden, die seine Produkte und Dienstleistungen jetzt wollen, brauchen und bezahlen können. Und er hat wieder Spaß an der Arbeit. Ist das etwas, das Sie auch wollen?

Das klang vielversprechend. Auch als Beraterin bleibt einem ja Akquise nicht erspart, und nicht immer reichen Empfehlungen und klassisches Networking aus, um neue Kunden zu gewinnen. Abgesehen davon bin ich schlicht neugierig auf neue Methoden, auch wenn sie wie in diesem Fall auf typisch vollmundige amerikanische Art und Weise angepriesen werden.

Tatsächlich ist das Buch eine bearbeitete Übersetzung (und dass hier kein Profi-Übersetzer am Werk war, merkt man dem Ergebnis leider auch an einigen Stellen an). In den USA erfreut sich die Methode, um die es hier geht, wachsender Begeisterung, und auch hierzulande scheint man auf jemand gewartet zu haben, der abseits der üblichen Verkaufs- und Abschlusstechniken neue Wege aufzeigt.

Was also steckt hinter „High Probability Selling“, dem „Verkaufen mit hoher Wahrscheinlichkeit“?

Eigentlich ist es ja logisch, dass man möglichst viel Zeit mit solchen Kunden verbringen will, die zum einen die eigene Dienstleistung wirklich wollen und die sie zum anderen auch bezahlen können. Wohlgemerkt: wollen. Nicht brauchen oder sich grundsätzlich dafür interessieren.

Michael Franz, deutscher Co-Autor des Bestsellers und Leiter der deutschen Niederlassung, empfiehlt, diese beiden letzten Vokabeln beim Verkauf aus dem Wortschatz zu streichen. Einleuchtend, finde ich. Es geht bei High Probability Selling nämlich in erster Linie darum, diejenigen Kunden herauszufiltern, die mit hoher Wahrscheinlichkeit kaufen werden. Daher gibt es einen strukturierten Prozess, durch den unwillige Käufer sehr schnell und zielsicher disqualifiziert werden.

Das hat gleich mehrere Vorteile:

  • Zum einen trete ich als Verkäuferin meiner Dienstleistung von Anfang an souverän auf: Du Kunde willst mein Angebot nicht? Ok, kein Problem, einen schönen Tag noch. Kein Frust, weil ich bereits stundenlang Angebote formuliert und hin und her und wieder zurück diskutiert habe. Sondern eine ganz klare Ansage gleich am Beginn mit eindeutigem Ergebnis.
  • Oder anders: Du willst meine Dienstleistung und bist auch bereit, sie zu bezahlen? Wunderbar, lass uns ins Geschäft kommen.
  • Daneben merkt der Kunde bei diesem Vorgehen, dass ich ihn nicht um jeden Preis überzeugen will. Ich akzeptiere ein „Nein“ genauso wie ein „Ja“ und nerve ihn dann nicht weiter. So verfahre ich bei jedem weiteren Schritt im Verkaufsprozess. Michael Franz nennt das „Verpflichtungen eingehen“. Ich biete dem Kunden jederzeit die Möglichkeit auszusteigen. Und deshalb gehe ich im Prozess nie weiter, solange ich nicht sein ausdrückliches Einverständnis habe.

Das alles basiert auf einer ausgesprochen wertschätzenden Grundhaltung – mir selbst gegenüber, vor allem aber gegenüber meinen Kunden. Sie spüren sehr schnell, dass mir an ihrem Vertrauen gelegen ist und ich sie in jeder Phase ernst nehme.

So weit die Theorie. Und jetzt zur Praxis:

Zur telefonischen Akquise empfiehlt der Autor, ein klares Angebot zu formulieren, das möglichst nicht mehr als 47 Wörter umfassen soll (woher diese Zahl kommt, bleibt allerdings unklar): wer bist Du, was verkaufst Du, was ist der Kundennutzen und die abschließende Frage: Wollen Sie so eine Dienstleistung?

Je klarer und eindeutiger dieses Kurzangebot formuliert ist, umso leichter fällt es dem Angesprochenen, es zu bejahen oder zu verneinen. Das heißt, man trifft nicht auf so viel Widerstand wie sonst, wenn Menschen das Gefühl haben, man wolle sie um jeden Preis dazu bringen, etwas zu kaufen, was Sie gerade wirklich nicht wollen oder sich nicht leisten können.

Ich habe beschlossen, in nächster Zeit ein paar Experimente mit dieser Methode zu machen. Zu verlieren habe ich schließlich nichts, aber vielleicht kann ich ja neue Erfahrungen sammeln und nebenbei sogar neue Kunden gewinnen 🙂 . Natürlich werde ich hier über meine Erfolge und Misserfolge berichten.

Fazit: Wer darüber hinweg lesen kann, dass das Buch wirklich schlecht lektoriert ist, wird sicher einige interessante Anregungen für die eigene Akquise finden. Und im Verkaufsblog von Michael Franz finden sich auch immer wieder neue Tipps.

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5 Kommentare zu „High Probability Selling – einen Versuch wert?“

  1. Das ist alles schön und gut und wie immer wird alle paar Jahre „eine neue Sau durchs Dorf getrieben“, die erfolgreich sein soll.
    Was habe ich in meinem Berufsleben schon an Schulungen, Seminaren und Workshops teilgenommen, von denen es hieß, dass der Erfolg damit programmiert sei.
    Harzburger Modell, KVP, Lean Managment, Dale Carnegie, fraktale Organisation usw. usw. Ich könnte 1 Dtzd. Trainer aufführen.
    Das Problem war immer danach, dass ich krampfhaft versucht habe, das Gelernte umzusetzen, Erfolg war ja programmiert. Aber auf der Strecke blieb die Authentizität, ich war nicht mehr der, der ich war.
    Ich habe mir dann aus all dem, was ich gut fand ein paar Sachen gemerkt, sozusagen die Roseinen rausgepickt und bin wieder als Michael an die Verkaufsfront. Ergebnis, ich habe wesentlich mehr Umsätze gemacht, als beim krampfhaften Festhalten am Gelernten.
    Überhaupt ist das Wichtigste beim Verkauf, dass man authentisch ist, alles andere ist bestenfalls Beiwerk. Nicht jede Verkaufsmethode passt zu jedem Verkäufer (und Kunden).

  2. Hallo Michael, das sehe ich auch so – Authentizität schlägt letztlich alle Methoden. Was mir an HPS aber gefällt, ist ja genau, dass es gar nicht darum geht, sich etwas überzustülpen, was nicht zu einem passt. Im Gegenteil: Du passt die Methode an Dich an. Die Idee, den Prozess quasi umzukehren und nicht mehr als Bittsteller aufzutreten, hat unbestreitbar was. Aber wie gesagt, ob’s wirklich wirkt, wird erst der Praxistest zeigen … 😉

  3. Ich bin ja ein großer Fan des Personenmarketing-Anschreibens, und das hat als Ziel, dass ich den Kundenbedarf erwische und der Kunde sich daraufhin aktiv _bei mir_ meldet mit seinem Auftrag. Nicht, dass ich bei ihm nachhake und Bedarf schaffe 🙂 Bisher hat das auch durchaus gut funktioniert. Klingt sehr ähnlich vom Ansatz her. Und wünschen wir uns das nicht alle ;)?

  4. Hallo Birgit, ja, ich glaube, was an HPS vielleicht neu ist, ist lediglich die glasklare Struktur, nicht so sehr die Grundhaltung dahinter. Ich fand einige Ideen jedenfalls anregend und bin gespannt, ob ich das so umsetzen kann. Unser Ziel ist ja letztlich immer, selbst gar nicht mehr aktiv akquirieren zu müssen. Aber bis es soweit ist, wird halt ausprobiert, was funktioniert … oder eben nicht 😉 .

  5. Einen Vorteil sehe ich an HPS. Da ist soweit ich das gelesen habe kein Wort von dem was ich überhaupt nicht vetrage und für absolut falsch halte „Kunde ist König“. Der Kunde ist kein König, er ist Partner. Nicht mehr und besonders auch nicht weniger.

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