Fehlt da nicht ein Wort in der Überschrift? Sollte da nicht „trotzdem“ stehen?
Zugegeben: Das ist vielleicht ein recht provokanter Einstieg in ein Thema, das mir mehr und mehr am Herzen liegt. Vielleicht liegt es am Alter, denn inzwischen erreichen mich fast wöchentlich Nachrichten aus dem Bekanntenkreis, dass wieder bei jemandem eine chronische Erkrankung diagnostiziert wurde: Rheuma, Morbus Bechterew, Colitis Ulcerosa, Diabetes, Schuppenflechte … alles dabei.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass eine chronische Erkrankung und Lebensfreude sich nicht ausschließen. Ich weiß aber auch, dass das nicht von Anfang an so war, ganz im Gegenteil.
Wer damit zum ersten Mal damit konfrontiert ist, eine chronische Erkrankung zu haben, womöglich nach langer Ärzte-Odyssee, fällt oft in ein tiefes Loch. Zu wissen, worunter man leidet, ist ja das eine, doch nun tauchen plötzlich viele neue Fragen auf: Wie soll es jetzt weitergehen? Kann ich selbstständig bleiben? Welche Perspektiven hat man denn noch mit dieser Diagnose? Und ob man will oder oder nicht, taucht auch die Frage nach dem Warum auf: Warum gerade ich?
Chronisch kranke Menschen wissen, dass sie wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens mit den Auswirkungen ihrer Erkrankung konfrontiert sind. Je nach Art und Verlauf der Krankheit können das durchaus erschreckende Perspektiven sein. Und ich finde, jeder, der sich damit auseinander setzen muss, hat ein Recht auf eine ordentliche Dosis Selbstmitleid, gerade zu Beginn, aber auch immer wieder zwischendrin, wenn vielleicht gerade ein Schub sich meldet und die Symptome unangenehm bis schmerzhaft sind. Das sorgt für Entlastung. Wir müssen nicht immer nur still vor uns hin leiden, damit niemand sich belästigt fühlt. Wir dürfen traurig sein und zuweilen auch verzweifelt. Wir dürfen uns auch Hilfe holen in Situationen, die wir körperlich oder psychisch gerade nicht stemmen können. Dafür sind Freunde und Freundinnen da.
Doch wir sollten auch aufpassen, nicht in die Dauerdepression abzurutschen und uns nur noch als Opfer zu erleben. Wer merkt, dass es schwierig bis unmöglich ist, wenigstens ab und zu aus dem schwarzen Loch aufzutauchen, sollte sich dringend professionelle Hilfe organisieren (lassen). Das kann für manche eine Selbsthilfegruppe sein, für andere eine Einzeltherapie, oder auch beides, und vielleicht auch was ganz anderes. Chronisch Kranke werden meiner Erfahrung nach beim Antrag auf Psychotherapie meist unterstützt, weil heute auch die Krankenkassen wissen, dass eine gesunde Psyche für den Umgang mit schweren Krankheiten hilfreich ist.
Eine chronische Erkrankung zu haben, ist kein Kinderteller. Manchmal muss man sein Leben massiv umkrempeln, darf bestimmte Speisen nicht mehr essen, geliebte Hobbys nicht mehr ausüben, oder muss stattdessen sogar neue Gewohnheiten etablieren, die man als lästig erlebt. Macht oft echt keinen Spaß, ich weiß.
Mit der Krankheit leben lernen
Doch irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man akzeptieren muss, dass es jetzt so ist: Da ist diese chronische Erkrankung, und die geht nicht mehr weg. Man muss für den Rest des Lebens irgendwie damit umgehen. Nun kann man weiterhin sein Schicksal beklagen und beweinen, aber das verändert die Lebensqualität kaum im positiven Sinne. Viel konstruktiver ist in der Tat die Frage, wie man mit seiner Krankheit Freude am Leben hat. Nicht trotz. Mit.
Vielleicht kommt sogar der Tag, an dem man erkennen kann, dass die Krankheit auch positive persönliche Entwicklungen möglich gemacht hat. Ich will damit niemand zu nahe treten, der in seiner Krankheit absolut nichts Gutes finden kann. Mir hat diese Sichtweise vor vielen Jahren jedoch geholfen, mich mit der Erkrankung in gewisser Weise auszusöhnen. Mir wurde deutlich, dass erst der Ausbruch der Erkrankung mich dazu zwang, eigene Entscheidungen für mein Leben zu treffen statt mich wie bis zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger treiben zu lassen. Damit begann in gewisser Weise meine „Menschwerdung“, wie ich das heute immer gern bezeichne, mein langer Abschied vom gelernten Opferbewusstsein hin zu Selbstverantwortung und Annahme meiner Selbst.
Heute bekomme ich häufig zu hören, ich würde so viel Lebensfreude ausstrahlen. Anfangs überraschten mich derartige Äußerungen noch sehr. Inzwischen denke ich, dass das Leben mit einer chronischen Erkrankung einem vielleicht auch beibringen kann, das, was man an Guten im Leben hat, richtig zu schätzen. Wer die tiefen Schatten kennt, weiß das strahlende Licht am meisten zu würdigen.
Ich wünsche allen, die chronisch krank sind, dass sie dadurch nicht ihre Identität bestimmen lassen. Wer sich hauptsächlich als „krank“ definiert, verschließt sich vor dem Leben, und das ist so traurig und überflüssig. Ich wünsche euch allen da draußen, dass ihr euren ganz eigenen Weg findet, Tag für Tag mit eurer Krankheit zu leben und das Leben zu genießen in seiner ganzen Vielfalt.
Gesundheit ist nicht die Abwesenheit von Krankheit, wie ein guter Freund immer sagt. Lebensqualität macht sich nicht ausschließlich am reibungslosen Funktionieren des Körpers fest. Schau dir Stephen Hawking oder Raúl Krauthausen an, dann weißt du, was ich meine.
Alles Gute für dich!
Danke! So ist es wohl. Oft aber schwer #mds
Hallo Heide,
ich teile deine Ansichten und freue mich darüber, dass es auch noch andere Menschen gibt, die positiv und selbstbewusst mit chronischen Erkrankungen umgehen 🙂 Schön, dass du einen weg gefunden hast!
Ich selbst leide an der seltenen, chronischen Schlafkrankheit Narkolepsie und blogge auch zu dem Thema.
Wenn dich das näher interessiert, dann kannst du ja mal vorbeischauen: https://wach-und-erfolgreich.de/narkolepsie/
Über einen (lieben) Kommentar freue ich mich natürlich auch immer, haha 😀
Herzliche Grüße,
Michael
Hallo mein Name ist Udo Vogel und ich bin ein Chronischer Schmerzpatient und Schwerbehindert ich habe mir den Beitrag sehr genau Durchgelesen und bin wirklich sehr Erstaunt und wirklich sehr Erfreut das Sie das so schafft.Aber ich komme überhaupt nicht mehr Klar mitlerweile bin ich von Morphium Abhängig ich bin Trockner Alkoholiker und bin fast am Ende mein Körper wehrt sich gegen irgend etwas ich bin nur am Schwitzen es ist Kalt und ich Schwitze ich bin so Schlapp bekomme nicht mehr auf die Reihe vielleicht liest das jemand brauche Hilfe.
Mit freundliche Grüßen Udo Vogel
Hallo Udo, das klingt schlimm, und es ist schwer, aus der Ferne zu raten. Aber ich würde auf jeden Fall mit dem behandelnden Arzt sprechen und mir ggf. auch mal einen neuen Arzt oder eine Schmerzambulanz suchen. Morphiumabhängigkeit ist bestimmt nicht der Weisheit letzter Schluss. Alles Gute!
Liebe Heide,
Deine Webseite gefällt mir gut. Auch ich kenne die Hochs und Tiefs einer chronischen Erkrankung. Habe seit einigen Jahren Multiple Sklerose und versuche tapfer mit dieser Krankheit glücklich durchs Leben zu gehen.
Vielleicht hast du ja ma Lust. mich auf meiner Seite http://www.mitmsdurchsleben.simplesite.com zu besuchen.
Wünsche dir weiterhin viel Lebensfreude. Mach weiter so.
Liebe Grüße
Anna
Liebe Anna,
habe mir deine Seite angeschaut. Ich glaube, du gehst einen guten Weg mit Selbstverantwortung und Offenheit gegenüber interessanten Ansätzen in der Forschung, auch ergänzend zur klassischen Medizin. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute!
Liebe Grüße
Heide
Toller Beitrag! Gerade erst über Google gefunden.
Grundsätzlich toller Beitrag – aber auch etwas von der Erkrankung abhängig … bei ständigen starken Schmerzen ist Lebensfreude u Leichtigkeit sehr schwierig – habe meinen Humor nicht verloren u freue mich immer noch über den Besuch eines Schmetterlings auf Balkonien aber tanzen u das Leben wirklich genießen ist mir mit Dauerschmerzen leider nicht mehr möglich
Ständige Schmerzen sind sehr zermürbend, das tut mir sehr Leid. Da ich nicht weiß, welche Ursachen deine Schmerzen haben, lässt sich nicht viel dazu sagen. Mir fällt nur gerade eine Freundin von mir ein, die ebenfalls unter Dauerschmerzen leidet. Sie hat festgestellt, dass es ihr besser geht, wenn sie Sport macht, ja, auch und gerade mit den Schmerzen. Vielleicht ist das ja noch ein Impuls? Aber ich möchte nicht den Eindruck erwecken als würde ich deine Situation kennen, also nimm das bitte nicht als „Besserwisserei“. Alles Gute!