Das Stehauf-Frauchen

Eine persönliche Geschichte vom Versagen und Lernen

Eine Kultur des Scheiterns entwickeln – unter diesem Motto veranstaltet Petra Schuseil noch bis Donnerstag eine Blogparade auf ihrem Lebenstempo-Blog.

Nun habe ich lange hin- und her überlegt, welchen Beitrag ich dazu schreiben kann. Inzwischen habe ich festgestellt, dass ich das Wort „Scheitern“ einfach nicht mag. Fehler machen, ja, eine Bauchlandung hinlegen, auch gut, Misserfolg haben geht ebenfalls in Ordnung, denn das alles sind in meinen Augen einfach nur Lernchancen. Aber Scheitern? Das klingt für mich doch sehr endgültig, irgendwie nach Totalversagen. Und daraus will ich keine Kultur machen.

Trotzdem finde ich den Ansatz gut zu sagen: Wir lernen aus Fehlern und entwickeln uns weiter, und das ist hierzulande tatsächlich nicht nur eine stark unterentwickelte, sondern vor allem unterschätzte Fähigkeit.

Mein Motto lautet ja schon seit vielen Jahren Umwege erweitern die Ortskenntnis, weil mein Leben als Musterbeispiel für Irrungen und Wirrungen dienen könnte: Mit 19 begann ich, Politikwissenschaft zu studieren in der Absicht, Journalistin zu werden. Tatsächlich fand ich damals das aktive und praktische Politikmachen wesentlich spannender als mir über politische Theorien den Kopf zu zerbrechen.

Der politische Aktionismus hielt mich zudem beschäftigt, während meine intellektuellen Versagensängste in den Himmel wuchsen. Das mündete mit Anfang zwanzig in einer ausgewachsenen Depression und einer chronischen Erkrankung. Ohne Vordiplom brach ich mein Studium im 7. Semester ab und begab mich erst einmal in Behandlung. Denn eins war mir immerhin klar geworden: So wollte ich definitiv nicht weiterleben, krank, desorientiert und ohne Ziel und Vision für mein Leben. Also ging ich die ersten zaghaften Schritte in Richtung Eigenmächtigkeit und Selbstverantwortung.

stehaufpuppchen

Bildquelle: henteaser/flickr

Viele weitere Umwege später schaue ich mich staunend um: Depressionen mitsamt der Unfähigkeit zu lachen gehören schon lange der Vergangenheit an. Heute melden mir Menschen oft zurück, dass ich über eine ansteckende Lebensfreude verfüge, und ich entdecke mein Kinderlachen mit jedem Jahr wieder mehr.

Meine angeblich chronische und unheilbare Erkrankung ist verschwunden – ich bin davon überzeugt, dass ich mich selbst geheilt habe, weil ich dazugelernt und mein Leben verändert habe.

Heute bin ich in der Lage, persönliche und geschäftliche Krisen zu bewältigen – eben weil ich in der Vergangenheit mit ganz existenziellen Krisen zu tun hatte und diese meistern konnte. Diese Erfahrungen haben mich in einer Weise gestärkt, dass ich heute darauf vertrauen kann: So schnell haut mich nichts mehr um! Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, an seine Grenzen zu kommen. Ich kenne Methoden, um mich dann wieder aus dem Sumpf zu ziehen. Und vor allem gibt es in meinem Leben viel Liebe und Wertschätzung, die ich mir einerseits selbst entgegen bringe und die ich andererseits dankbar von anderen empfange.

Scheitern? Wird mir daher nicht passieren. Aber die ein oder andere Bauchlandung lege ich bestimmt noch mal hin – schließlich habe ich immer derart viele Projekte gleichzeitig in der Luft, dass unmöglich alle funktionieren können. Das nehme ich in Kauf, wohl wissend, dass nur der Mutige auch dauerhaft Erfolg haben wird. An der heiteren Gelassenheit gegenüber den Unwägbarkeiten des Lebens arbeite ich aber noch! 😉

Ich bin und bleibe eben ein Stehauf-Frauchen! Und merke gerade, dass der Stolz darauf einen großen Teil meiner Identität ausmacht.

6 Kommentare zu „Das Stehauf-Frauchen“

  1. Liebe Heide,

    das Wort „Scheitern“ empfinde ich genauso wie du, und habe daher in meinen beiden Beiträgen zur Blogparade einmal über den Umgang mit Fehlern und über den Umgang mit meiner Arbeitslosigkeit vor über 20 Jahren geschrieben – also mit ähnlichem Tenor.

    Ich denke, zu einer „Power- Frau“ gehört nicht, dass sie nie auf die Nase fällt und alles perfekt meistert, sondern dass sie eben wieder aufsteht!

    In diesem Sinne
    fröhliches Wachsen.

  2. Hallo Zamyat,

    ja, ich habe gesehen, dass du ähnlich wie ich darüber denkst. Scheitern ist irgendwie so absolut, finde ich. Lass uns lieber wachsen, genau! Und fröhlich noch dazu! 😉

  3. Liebe Heide, über Deinen Beitrag zur Blog-Parade freue ich mich ganz besonders – so kurz vor dem morgigen „Schlusspfiff“ und dann mit Deiner ganz besonderen Geschichte und den Wortspielen. Ich hab den Eindruck, dass es da einige Parallelen gibt in unseren Lebensläufen, vor allem sind wir gesund und lebensfroh. Auf Dein Kinderlachen freue ich mich schon, wenn wir uns im Frankfurt live erleben werden.
    Es gab ja interessante Bemerkungen und Beiträge zu dem Wort „Scheitern“ … die Bauchlandung gefällt mir dabei besonders gut. Gemeinsam sind wir allerdings derzeit auf einem guten Wachstumskurs … Hui. Herzliche Grüße nach Düsseldorf. Petra

  4. Pingback: Vom Fehlermachen « Hagebuttensenf

  5. Pingback: Eine Kultur des Scheitern entwickeln | Heide Liebmann

  6. Liebe Heide,

    gerade lese ich Deine neuen Newsletter, die mir sehr gefallen. Deshalb bin ich hier.

    D’accord! Bei meinem zeitweiligen „auf-den-Bauch-fallen“ stelle ich immer fest, dass ich ungeduldig wurde, zuviel auf einmal wollte. Ein lebenslanges Lernen … Aber Scheitern? Nie!

    Ich glaube fest daran, dass Du Dich wieder selbst heilst !!!

    Liebe Grüße
    Evy

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