Ein Grund zum Feiern: 1:0

Als Kind war ich eine schlechte Verliererin. Wenn der Spielverlauf bei Brettspielen nicht meinen Wünschen entsprach, konnte ich im Zorn schon mal alle Spielfiguren vom Brett fegen und mich weiteren Spielversuchen dann trotzig verweigern.

Natürlich lernte ich irgendwann, dass das für mein Standing in der Gruppe mit anderen Kindern nicht eben förderlich war. Noch heute spüre ich zuweilen diesen inneren Piekser, wenn ich bei einem Spiel verliere – und lange Zeit war Wettkampf an sich für mich ganz stark negativ belegt. Was einer der Gründe dafür sein kann, warum ich Fußball lange Zeit gar nichts abgewinnen konnte.

Als ich gestern Abend Lionel Messi beobachtete, wie er den Honoratioren die Hände schütteln musste und sie dabei meist nicht mal anschaute, postete ich spontan auf Facebook: „Der Messi ist aber ein schlechter Verlierer, oder?“ Daraufhin zeigte meine Timeline jedoch viel Verständnis für den jungen Kerl, der immerhin gerade ein wichtiges Spiel verloren hatte. In solchen Situationen, wenn das Adrenalin noch durch die Adern wogt, ist es wahrscheinlich in der Tat schwierig, wieder auf normales Sozialverhalten herunterzuschalten.

Wettkampf als Alternative

Der Spieltrieb ist uns offenbar angeboren. Evolutionsbiologen meinen sogar, dass er es uns erst ermöglicht hat, kooperative Lebensformen zu entwickeln. Durch das Spielen, durch Rituale und Humor konnten unsere Vorfahren unsere Aggressivität und dominantes Verhalten in den Griff bekommen und funktionierende Gemeinschaften etablieren, die Konflikte auch anders als blutig austragen konnten – im sportlichen Wettkampf.

Während der Fußballweltmeisterschaft ließ sich gut beobachten, dass die Teams, die nur auf ihre Stars und weniger auf die Teamleistung gesetzt hatten, ausschieden – spätestens dann, wenn der Star nicht mehr zur Verfügung stand, siehe Brasilien.

Das Prinzip Wettkampf ist mir als Solo-Selbstständige natürlich längst nicht mehr fremd. Schließlich stehe ich ständig in Konkurrenz zu anderen Anbietern, und auch wenn ich stark auf Kooperation statt Konkurrenz setze – manchmal bekommt jemand anders den Auftrag, den ich mir auch gern geangelt hätte. Das fühlt sich an wie verlieren, und das ist kein schönes Gefühl. Umgekehrt balle ich durchaus mal die „Siegerfaust“, wenn etwas geklappt hat, vor allem wenn ich mich sehr dafür engagiert hatte.

Gewinnen macht Spaß

Wahrscheinlich sind die Spiegelneuronen nicht ganz unschuldig daran, wenn eine ganze Nation bei solchen Großereignissen live dabei ist und so ein Gemeinschaftsgefühl entsteht. Ich sprang jedenfalls gestern Abend mit allen anderen auf und wedelte mit meinen schwarz-rot-gold lackierten Fingernägeln, als in der 113. Minute endlich das erlösende 1:0 durch Götze fiel. Jubelte laut, freute mich mit und genoss das alles in vollen Zügen.

Nach dem Schlusspfiff, als die ganze Spannung dann von allen Beteiligten abfiel und nur noch kindliche Freude zu sehen war: Wie habe ich das den Spielern gegönnt, die wirklich gefightet und alles gegeben haben. Wir haben gewonnen – das ist jedenfalls das Gefühl, dass wohl alle hatten, die diese WM mitverfolgt haben. Das Team, die Gemeinschaft, das ganze Land hat jedenfalls Grund zum Feiern, und das ist auch gut so.

Natürlich gibt es „wichtigere Dinge“ als eine Fußball-WM, und über die unsauberen Methoden der FIFA darf und muss man sich weiterhin aufregen – aber wir dürfen uns auch einfach mal über einen hart erarbeiteten Erfolg freuen.

Erfolge feiern, die möglich wurden, weil man aus Fehlern gelernt hat – das ist das Salz in der Suppe des Lebens. Danke, Jungs, war schön mit euch!

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