Häufige Fragen zum aktiven Zuhören
Was ist der Unterschied zwischen Zuhören und aktivem Zuhören?
Beim „normalen“ Zuhören nimmt man Informationen oft nur passiv auf. Aktives Zuhören bedeutet, dass du dich voll auf das Gegenüber einlässt, Verständnis zeigst und Missverständnisse durch passende Rückfragen möglichst vermeidest.
Wie kann ich aktives Zuhören lernen oder üben?
Am besten durch bewusstes Ausprobieren: im Gespräch Pausen und Schweigen aushalten (und vielleicht sogar genießen), paraphrasieren („Habe ich dich richtig verstanden, dass …?“), nachfragen statt sofort Ratschläge zu geben. Regelmäßige Reflexion nach Gesprächen hilft zusätzlich, weil du durch das Feedback erkennst, wo du deine Fähigkeit zum aktiven Zuhören noch ausbauen kannst.
Wie erkenne ich, ob ich wirklich aktiv zuhöre?
Das kannst du recht leicht daran merken, dass dein Gegenüber mehr erzählt, nachdenklich wird oder dir bestätigt: „Ja, genau so meine ich das.“ Außerdem stellst du wahrscheinlich selbst fest, dass du weniger mit deinen eigenen Gedanken beschäftigt bist und mit deiner ganzen Aufmerksamkeit bei der anderen Person bleibst. Es lohnt sich, das zu üben!
Zuhören? Oder gleich aktives Zuhören? Wo ist das Problem?
Tun wir schließlich jeden Tag unzählige Male, oder nicht? Aktives Zuhören ist eine Kunst, die viele von uns nicht wirklich beherrschen. Dabei ist es entscheidend für erfolgreiche Kommunikation.
Tja, leider hören wir in den allermeisten Fällen genau so lange zu, bis ein Stichwort fällt, das uns grade recht kommt. Und zack, übernehmen wir. „Du, genau das gleiche ist mir gestern auch passiert!“ Kommt dir bekannt vor? Ja, ich bin leider auch nicht immer die geduldige Zuhörerin, die ich gerne wäre.
Mag dieses Verhalten im privaten Kontext noch durchgehen, ist es im Coachingbusiness mindestens nachteilig. Denn wenn du schon im Erstgespräch am meisten redest, machst du sehr wahrscheinlich etwas Entscheidendes falsch. Du hörst dann nämlich kaum zu, schon gar nicht aktiv. Und wunderst dich dann vermutlich, wenn du nach einer atemlosen halben Stunde der glanzvollen Selbstpräsentation mit einem lauwarmen „Ich melde mich dann wieder“ verabschiedet wirst und nie wieder etwas von dieser Interessentin hörst.
Dabei lohnt es sich, sich einmal ganz bewusst zurückzuhalten und sich auf das Gegenüber einzulassen. Ganz erstaunliche Informationen kommen auf diese Weise ans Licht, die du sonst wahrscheinlich nie erfahren hättest. Aktives Zuhören ist der Schlüssel, denn es fördert nicht nur das Verständnis, sondern stärkt auch zwischenmenschliche Beziehungen, was in vielen Lebensbereichen von Bedeutung ist.
Was ist aktives Zuhören?
Der Ausdruck aktives Zuhören stammt ursprünglich aus der Psychologie. Carl Rogers, einer der bekanntesten Therapeuten des 20. Jahrhunderts und Begründer der klientenzentrierten Gesprächsführung, hat damit schon in den 1940er-Jahren gearbeitet. Seine Überlegung dabei war, dass Menschen sich leichter öffnen, wenn sie spüren, dass ihnen wirklich und ohne Bewertung zugehört wird. Später bekam das Ganze dann den Namen „Active Listening“ und wird schon lange auch in anderen Kontexten eingesetzt. Heute wird aktives Zuhören in Coaching, Führung, Teamarbeit oder sogar im Vertrieb ebenso genutzt wie in der Therapie.
Aktives Zuhören: So geht’s
Was du dafür tun kannst? Ganz einfach:
- Signalisiere durch deine Körpersprache Interesse: Wende dich deinem Gegenüber zu, beuge dich vielleicht sogar leicht nach vorn.
- Halte Blickkontakt: Wenn du deinem Gegenüber in die Augen siehst, zeigst du, dass du dem Gesagten folgst. Zustimmende Gesten oder Laute machen das deutlich. Wenn du ernsthaft interessiert bist, machst du das übrigens ohnehin ganz von alleine.
- Nachfragen: Wenn du nicht ganz sicher bist, ob du die andere Person wirklich richtig verstanden hast, frag einfach nach: „Verstehe ich das richtig, dass…“, „Meinen Sie damit, dass…“ Wiederhole, was dein Gegenüber gesagt hat, in eigenen Worten und ohne Bewertung. Damit signalisierst du einerseits deine hohe Aufmerksamkeit. Und gleichzeitig gibst du dem Gegenüber die Möglichkeit, sich selbst oder deine Wahrnehmung zu präzisieren oder zu korrigieren, so dass ihr beide auf der gleichen Grundlage weiter diskutieren könnt.
- Wahrnehmungen aussprechen: Auf diese Weise kannst du auch unausgesprochene Stimmungen erfassen und bewusst machen: „Ich habe gerade das Gefühl, du fühlst dich mit meinem Vorschlag etwas unwohl. Stimmt das?“ Damit eröffnest du der anderen Person die Möglichkeit, ihr Unbehagen in Worte zu fassen – oder dich zu beruhigen, weil du die nonverbalen Zeichen vielleicht falsch interpretiert hast.
Nicht nachäffen!
Was du auf keinen Fall tun solltest: nur nachplappern, was gerade gesagt wurde, denn niemand wird gerne nachgeäfft. Die meisten Menschen fühlen sich dann erst recht unwohl.
Weitere Stolperfallen beim aktiven Zuhören
Eigentlich klingt das ja alles gar nicht so schwer – und trotzdem ertappen wir uns immer wieder bei folgendem Verhalten:
- Antwort schon im Kopf formulieren: Während die andere Person noch spricht, basteln wir schon an unserem eigenen cleveren Beitrag. Aktives Zuhören? Fehlanzeige.
- Vorschnelle Ratschläge: „Mach doch einfach …“ Das ist zwar meist gut gemeint, aber oft gar nicht das, was die andere Person gerade braucht. Denn wenn du gleich Lösungen anbietest, überhörst du vielleicht die eigentliche Botschaft.
- Ablenkung durch Technik: Oft beobachte ich in Gesprächen, dass das Gegenüber schnell mal einen Blick aufs Handy wirft oder sogar eine Nachricht tippt. Das signalisiert natürlich sofort: „Du bist gerade nicht so wichtig.“
- Unterschwellige Bewertungen: Kleine Kommentare wie „Ach, so schlimm ist das doch gar nicht“ bremsen das Gegenüber, statt Vertrauen aufzubauen. Für dich mag das Gesagte nicht besonders wichtig sein, aber vielleicht sieht es in deiner Gesprächspartnerin gerade ganz anders aus.
- Ungeduld mit Pausen: Schweigen auszuhalten fällt vielen schwer. Dabei sagen die stillen Momente oft mehr als die gesprochenen Worte, und sie schaffen Raum, sich zu sammeln und verstreute Gedanken dann doch noch in Worte zu fassen.
Die Bedeutung des aktiven Zuhörens im Alltag
Ein klassisches Beispiel aus dem Beratungs-Kontext:
Stell dir vor, deine Kundin erzählt von einer schwierigen Situation im Job: „Mein Chef hat schon wieder mein Projekt vor allen schlechtgeredet, das hat mich total getroffen.“
Vielleicht denkst du, dass du Vertrauen herstellst, wenn du eine ähnliche Erfahrung erzählst und den Satz direkt so kommentierst: „Ach, das kenne ich! Bei mir war das auch mal so, ich hab dann einfach …“
Was aber tatsächlich häufig in so einer Situation passiert: Deine Kundin fühlt sich übergangen und bleibt mit ihrem Ärger und ihrer Verletzung allein zurück. Du nimmst dir an der Stelle den Raum, den sie gern gehabt hätte, und oft wird sie dann nicht weitererzählen und sich dir gegenüber verschließen.
Doch wenn du stattdessen antwortest: „Das klingt sehr verletzend. Möchtest du mir erzählen, was genau dich in dem Moment am meisten getroffen hat?“ und dann still bleibst, entsteht ein Raum, und das gibt ihr die Möglichkeit, das Thema weiter zu vertiefen, wenn sie das möchte.
Was macht aktives Zuhören gerade im Coaching so wertvoll?
Das Geheimnis des aktiven Zuhörens liegt vor allem darin, sich selbst mitsamt seinen Bewertungen zurückzunehmen. Wenn du deinem Gegenüber den Ball zuspielst, wird diese Person ihn gerne wieder aufnehmen, weil sie sich auf der Beziehungs- ebenso wie auf der Sachebene verstanden und akzeptiert fühlt. Und das ist eine wichtige Voraussetzung, um zu guten Ergebnissen zu kommen.
Im Coaching ist aktives Zuhören zudem kein nettes Beiwerk, sondern das Herzstück der Coachingbeziehung. Denn meine Klientin spürt ja sofort, ob ich wirklich bei ihr bin – oder ob ich innerlich schon an meinem nächsten Tipp feile. Wenn sie aber merkt: Da ist jemand, der nimmt mich ernst, ohne mich zu bewerten, entsteht Vertrauen. Und genau das macht es möglich, dass sie auch die Themen auf den Tisch legt, die wirklich wehtun.
Ein Beispiel: Stell dir vor, eine Coachee sagt: „Ich habe ständig das Gefühl, meine Arbeit reicht nicht aus.“
Wenn ich jetzt sofort mit einer gut gemeinten Bestätigung komme („Doch, du machst das bestimmt super!“), ist das Thema zu.
Höre ich hingegen aktiv zu, hake nach und spiegele das Gesagte („Das klingt nach einem sehr hohen Anspruch an dich selbst. Wo spürst du diesen Druck am stärksten?“), öffnet sich oft die Tür für tiefergehende Einsichten.
Aktives Zuhören schafft also Raum für Klarheit, für Selbsterkenntnis und oft eben auch für echte Veränderung und damit weit mehr, als jeder noch so kluge Hinweis von meiner Seite je erreichen könnte.
Übung: Einfach mal nur reden dürfen
Willst du mal ausprobieren, wie sich das anfühlt, wenn du deinen Gedanken im Gespräch einfach mal Raum geben darfst, ohne dass du dabei unterbrochen wirst? Dann probiere doch mal Folgendes aus:
Bitte eine vertraute Person darum, dir für fünf Minuten aufmerksam zuzuhören, und zwar ganz ohne Ratschläge, ohne Kommentare, ohne eigene Geschichten. Sag vorher klar: „Ich brauche jetzt nur dein Ohr, nicht deine Tipps.“
Deine Aufgabe: Erzähle frei von der Leber weg, was dich gerade beschäftigt. Achte darauf, wie es sich anfühlt, wenn niemand dazwischengeht.
Danach kannst du über folgende Fragen reflektieren und diese dann auch mit deiner vertrauten Person teilen:
- Welche Gedanken oder Gefühle kamen hoch, die sonst vielleicht oft untergehen?
- Wie hat sich dieses „gehört werden“ angefühlt?
- Was würdest du dir öfter in Gesprächen wünschen?
Diese Übung schärft dein Verständnis dafür, wie wohltuend eine stille Präsenz und Anteilnahme sein kann, bei der es nicht darum geht, sich selbst in den Vordergrund zu spielen und ungefragte Ratschläge zu erteilen.
Aktives Zuhören will geübt werden
Aktives Zuhören klingt vielleicht zunächst relativ simpel, will aber in der Praxis geübt werden, und zwar regelmäßig. So kannst du mit der Zeit immer besser darin werden, die eigene Stimme mal zurückzunehmen und den Raum fürs Gegenüber zu öffnen. Wer wirklich zuhört, bekommt nicht nur mehr Informationen, sondern vor allem Zugang zu den eigentlichen Themen hinter den Worten. Und durch diese Klarheit kann Vertrauen entstehen und der Boden für Veränderung bereitet werden.
Liebe Heide, die Do’s und Don’t sind bestimmt alle richtig. Es geht aber m.E. noch einfacher: Ganz da sein im Sinne von HIER und JETZT. Wenn ich ganz da bin und an meinem Gegenüber interessiert, dann werde ich automatisch mit meinem Körper die Signale aussenden, die aus meinem Inneren kommen. Ich brauche dann nicht daran zu denken. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Regeln.
Die Haltung ist entscheidend.
Wolfgang, du hast natürlich in allen Punkten recht :-). Dennoch glaube ich, dass genau das Da-Sein ja vielen Menschen schwer fällt – da schließe ich mich mit ein. Ich möchte die Do’s & Don’ts insofern auch gar nicht als Regeln verstanden wissen, sondern einfach als Anregung, das eigene Verhalten im Gespräch mal kritisch zu beäugen. Eine ideale Vorstellung davon zu haben, wie es wäre, wenn man ganz im Hier und Jetzt wäre, ist ja das eine, dieses Verhalten tatsächlich umzusetzen, folgt bekanntlich noch mal ganz anderen Regeln…