Wie der Fokus der Aufmerksamkeit die eigene Realität bestimmt

Das ist wirklich immer wieder ein faszinierendes Thema für mich. Bei einem Kurzurlaub in der Türkei war ich kürzlich im wunderschönen Seminarhaus Lykia. Am Tag vor meiner Abreise trafen neue Gäste ein. Eine Frau wurde im Bungalow neben mir untergebracht und wir kamen kurz ins Gespräch. Das erste, was sie zu mir sagte, war: „Ist ja alles ganz schön alt hier, oder?“

Ich schaute sie verständnislos an. Für mich gehört das Lykia zu den schönsten Plätzen, die ich kenne. Aber ihr Augenmerk richtete sich sofort auf Details, die erkennen ließen, dass die Anlage nicht funkelnagelneu ist.

Wie sich zeigte, fand diese Dame noch mehr Punkte, an denen sie etwas auszusetzen hatte: der Blick von ihrer Terrasse, das Essen … Sie arbeitete sehr erfolgreich daran, sich ihre zwei Wochen Urlaub mies zu machen.

Eine andere Frau, die gleichzeitig mit mir dort war, traf zwei Tage nach mir ein. Ihr erster Ausruf, als sie die Terrasse betrat: „Das ist ja das Paradies hier!“

Jetzt rate mal, wer den schöneren Urlaub im Lykia verbrachte!

„Objektive“ Realität?

Ich schreibe das heute, weil ich in letzter Zeit öfter mal Artikel auf Spiegel online lese und dann immer auch einen kurzen Blick auf die Kommentare werfe. Und ich bin echt entsetzt darüber, wie gehässig, zynisch und hämisch dort oft der Ton ist. Die Leute lesen die schlechten Nachrichten offenbar nur, um sich in ihrer negativen Weltsicht bestätigt zu fühlen und allen, allen anderen die Schuld daran zu geben, dass es ihnen schlecht geht. Differenzierte Betrachtungen lese ich fast nie.

Ich finde es einfach erstaunlich, wie viel Energie Menschen in fruchtlose Diskussionen stecken, die nur dazu führen, dass es ihnen noch schlechter als vorher geht. Denn dann muss man natürlich wieder jemand zurechtweisen, maßregeln, kritisieren … und ärgert sich dann wieder über dessen Reaktionen, die ja nur bestätigen, was man sowieso schon immer wusste.

Nun will ich gar nicht behaupten, dass alles auf der Welt ganz toll ist, und ich will auch nicht die Augen vor Missständen verschließen. Was mir jedoch auffällt, ist diese Tendenz, den Fokus ausschließlich auf die negativen Dinge zu richten. Natürlich wird diese Neigung durch die Medien unterstützt. Meldungen von Katastrophen sind nun mal für viele interessanter als Berichte, die Mut machen und uns optimistisch stimmen.

Aber es ist viel zu einfach, den Medien die Verantwortung dafür zuzuschustern. Wenn wir nicht alle ständig diese Katastrophenmeldungen als „realistisches“ Abbild unserer Wirklichkeit akzeptieren würden, würde unsere Realität vielleicht tatsächlich anders aussehen.

Was schon Pippi Langstrumpf wusste …

Ich ziehe es jedenfalls vor, meinen Fokus auf die Dinge zu richten, die mich froh machen. Auf Kleinigkeiten, wie die freundliche Sachbearbeiterin beim Finanzamt, mit der ich heute morgen telefonierte. Oder auf die leckere Tasse heißen Tees, der vor mir auf dem Schreibtisch steht (und übrigens „Wohlfühltee“ heißt 😉 ).

In derselben Weise versuche ich übrigens stets auf Menschen zuzugehen. Mit dem Blick auf das Positive in jedem von ihnen – auch wenn ich das, was mich stört, meist sehr genau wahrnehme. Mein Bemühen geht dahin, wahrzunehmen ohne zu bewerten. Wahrscheinlich ist das eine lebenslange Aufgabe – und leider bin ich noch nicht erleuchtet und scheitere öfter daran als mir lieb ist 😉 . Aber: „Versuch macht kluch“. Ich übe also weiter, ganz nach Pippi Langstrumpfs Motto „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“

4 Kommentare zu „Wie der Fokus der Aufmerksamkeit die eigene Realität bestimmt“

  1. Liebe Heide,

    danke für diesen Artikel!
    Du beschreibst das, was mich ebenso oft verwundert. Um ein Beispiel zu bringen: Mir ist schon sehr oft die negative Art und Weise bei XING aufgefallen. In einigen Gruppen, habe ich das Gefühl, liegen solche Menschen richtig auf der Lauer. So bald ein Beitrag oder eine Frage kommt, wird sofort darauf los kritisiert und der Beitrag und nachher die Person im wahren Sinne des Wortes „zerrissen“. Ich selbst habe in meiner XING-Gruppe auch so einen Teilnehmer gleich zu Anfang gehabt, musste ihn bitten, die Gruppe zu verlassen, da er alle nur attackiert hat.
    In solchen Fällen frage ich mich immer, wie unzufrieden muss der Mensch mit sich selbst sein, dass er so viel Negatives nach außen projiziert?!

    Mit nachdenklichen Grüßen

    Natalie

  2. Den Beitrag finde ich sehr treffend!

    Ich lese auch nur mehr vereinzelt Postings in den Online-Zeitschriften, ich finde es einfach zu deprimierend.
    Gelegentlich poste ich wenn es um Insolvenzthemen geht und schiebe korrigierend ein paar Fakten ein. Das beeinflusst tatsächlich gelegentlich die Dynamik, aber ich denke, es gibt einen „harten Kern“, der einfach nur seinen Frust pflegen will.
    Ich finde die Atmosphäre in vielen Blogs entspannter. Das mag daran liegen, dass da oft nicht alles freigeschaltet wird. Meiner Meinung nach liegt es aber auch daran, dass andere Poster auf rein negative Frustposts häufiger ablehnend reagieren und damit das Umfeld positiv mitgestalten.

    Beste (und frohgestimmte) Grüße aus Wien
    Regina Haberfellner

  3. Georg Rittstieg

    Moin aus Graz,

    wie sehr mich das doch an die alten und so oft wiederholten Erstaunlichkeiten erinnert und immer wieder erschüttert:

    – Projekte von Zeitungen die nur Positives berichten, scheitern immer wieder. Immerhin: U.a. die „Salzburger Nachrichten“ bringen immer eine ganze Seite (!) innerhalb einer Ausgabe nur positive Meldungen. Das klappt…

    – Ein alter und bekannter Trainer sagte (und führte es live vor): „Ja warum sollte man sich auch ändern? Dann wäre ja plötzlich alles anders. Da kennt sich ja keiner mehr aus!! Ja, ICH bleibe wo ich bin, denn hier in Sch***hausen, da kenne ich mich gut aus….“

    Erschütternd, wirklich. Ja, wie man sich die Welt kreiert, so schaut sie aus. Ja, frage ich mich auch: Wie muss es in den Einzelnen aussehen wenn sie im aussen so arg unterwegs sind? Wie muss es in ganzen Gruppen aussehen?

    Ist es wirklich immer so einfach, von heute auf morgen sein Denken zu ändern? Hier hege ich, auch aus eigener Erfahrung, meine Zweifel.

    Aber wir wollen ja immer alles sofort erreichen 😉 , das führt ziemlich sicher zu Frustration und den oben beschriebenen Reaktionen. Ein Kreislauf.

    Und anstatt DANKE zu sagen wird lieber geraunzt 😉

    Insofern DANKE HEIDE für den Schupfer durch diesen Artikel.
    Und DANKE HEIDE, dass Du immer wieder Tipps und Ideen aufzeigst, wie man den Weg vom Raunzer zum positiven Menschen gehen kann.

    FREUDE

  4. Vielen Dank für eure Kommentare, Natalie, Regina und Georg! Zum Glück gibt es ja immer mehr Menschen, die erkennen, dass sie zum großen Teil selbst dafür verantwortlich sind, wie sie ihre Realität gestalten :-).

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